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206 Zwolftes Kapitel.
in der Knabenfchule gewefen sei, miisse ich auch die Madchenschule
besuchen: und dann wollten die Lehrer uns ebenfalls ein Friihstiick
geben. das wir nicht cmsschlagen durften. Unsere Neise werde da
durch nicht sehr verzogert, aber ein Friihstiick muhten wir doch ein
mal nehmen, bevor wir wegfiihren. Um 12 Uhr werde es beginnen
und bestimmt um VZ2 Uhr zu Ende sein. An diesem Programm
war nicht zu riitteln.
23. September. So besuchten wir denn um 10 Uhr die
Madchenschule, ein grohes, prachtvolles Gebciude mit einer Menge
Schiilerinnen, deren Direliorin unsere Wirtin, Frau Kitmcmow, ist.
Die jungen Damen bereiteten uns einen auherordentlich freundlichen
Emvfcmg mit einer deutschen Rede, die Frau Kitmcmows Tochterchen
hielt, und mit Nberreichung eines grohen Vlumenstrauhes. Dann
gingen wir in jede Klasse, begriihten alle Schiilerinnen und horren,
was die jungen Madchen alles lernten: Russisch, fremde Sprachen —
Frcmzosisch, Deutsch und Englisch —, Geschichte, hauptsåchlich rus
sische, Geographie, Naturwissenschaften, Rechnen usw. Sic erhielten
wirklich eine gule Erziehung, und die Schule war nicht nur vor
ziiglich mit allen Hilfsmitteln ausgeriistet, fondern hatte auch grohe,
luftige Zimmer.
Hiercmf begab ich mich wieder ins Museum, um mir die ethno
graphischen Sammlungen noch einmal cmzusehen. Dann muhte ich
durchcms noch eine Vollsschule fiir Knaben besuchen, die der Staat
eingerichtet hatte, und hinterdrein noch eine Madchenvollsschule, die
mit Privatmitteln gegriindet worden war, weil der Staat nur zur
Erziehung der Knaben verpflichtet zu sein glcmbt. Endlich ging es
zum Friihstiick in der hoheren Schule. Es sollte, wie gesagt, um
12 Uhr beginnen, aber erst um 1 Uhr setzten wir uns zu Tisch,
und es dauerte bis 4 Uhr. Man beeilt sich hier nicht: Sibirien
ist noch ein Land, das wie an allem andern auch an Zeit Nberfluh
hat. Seine Vewohner konnen sich gliicklich preisen, dah die Ner
vositat, die wir Europaer nur zu gut kennen, noch nicht bis zu ihnen
gedrungen ist. In den zahlreichen Reden sprach sich grohe Be
geifterung und Warmherzigleit aus. Vei dem Friihstiick lernte ich
auch eine praltische Sitte kennen. die ich noch nirgends sah,- wenn
den Gasten die Pausen zwischen den einzelnen Gangen zu lange
dauerten, gingen sic in die Korridors oder ins Nebenzimmer, ziin
deten sich eine ligarette an und svazierten eine Weile herum: wiir-
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